Ostermarscherklärung mit Folgen
Von Susanne Knütter
Gerade jetzt müssten die Aufrüstungspläne der Bundesregierung hinterfragt und Abrüstung verlangt werden. Auch mit Blick auf die Geschichte. Mit seinem »Ostermarschaufruf« hat der Deutsche Gewerkschaftsbund genau das Gegenteil gemacht. Die »Erklärung des DGB zu den Ostermärschen 2025« liest sich vielmehr wie eine Distanzierung von dem, wofür die Ostermärsche traditionell stehen. Das musste Widerspruch provozieren.
Die Friedenskooperative nannte das Plädoyer des DGB-Bundesvorstands für »verstärkte Anstrengungen«, um »gemeinsam verteidigungsfähig zu werden«, ein »fatales Zeichen«. Irritiert zeigte sie sich auch darüber, dass der DGB die »neuen Möglichkeiten für schuldenfinanzierte Verteidigungsausgaben« und deren Erweiterung über militärische Ausstattung hinaus begrüßt. Sie musste konstatieren: »Gerade deshalb freuen wir uns, dass sich viele Gewerkschafter und Gewerkschafterinnen nicht haben beirren lassen und sich an den Ostermärschen beteiligt haben«, heißt es in einer Erklärung vom 22. April.
Aus Sicht der Initiative »Sagt Nein!« ist die Ostermarscherklärung des DGB kein Ausrutscher, sondern eine Weiterentwicklung des Kurses hin zum Krieg. »Die Grundgesetzänderung für zügelloses Aufrüsten in Billionenhöhe ist erfolgt, der Koalitionsvertrag zur Kriegsausrichtung des ganzen Landes zu Papier gebracht, die Medien überschlagen sich mit dem Ruf nach noch mehr ›Kriegstüchtigkeit‹, und selbst der DGB bläst ausgerechnet mit seinem Aufruf zum Ostermarsch in das gleiche Horn (…).« Wer im 80. Jahr der Befreiung »vom Hitlerfaschismus nicht die deutschen Kriegsgewinnler wie Siemens, BMW, Thyssen und Co. ins Visier nimmt, sondern Aufrüstung zu deren Profit und Nutzen fordert, macht sich zum Handlanger der deutschen Kriegsverbrecher«. Wer »Deutschland und Europa gegen Russland, USA und China aufrüsten und ›kriegstüchtig‹ machen will, dreht mit am Rad zum dritten Weltkrieg.«
Die Wirkung der DGB-Erklärung müssen Gewerkschafter und politische Organisationen dieser Tage bereits ganz praktisch erfahren. Wer etwa bei den zentralen 1.-Mai-Feierlichkeiten einen Stand beim DGB in Lübeck anmelden möchte, muss sich mit einer langen Liste von »Werten des DGB« identifizieren. Darunter: die »uneingeschränkte Solidarität mit der Ukraine – wir erkennen W. Putin als alleinigen Aggressor an«, »Bekenntnis zu Europa und zu NATO-Mitgliedschaft«, »Solidarität mit Israel und den zivilen Opfern der kriegerischen Auseinandersetzung im Gazastreifen«, »Bekenntnis zur Richtigkeit des Sondervermögens, um in die Zukunft zu investieren«.
Wer nachfragt, wer über solche Anforderungen entscheidet und begründeten Widerspruch an der Gesinnungsliste äußert, die ein Bekenntnis zu Staaten und Staatenbündnissen einfordert und eine Positionierung gegen das gesamte Aufrüstungsprogramm unmöglich macht, wird vom Lübecker DGB nicht zuletzt auf die offiziellen DGB-Erklärungen und explizit dessen Ostermarschaufruf verwiesen.
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1. Einschränkung der Meinungsvielfalt: Die Verpflichtung, sich mit einer umfangreichen Liste politischer Werte zu identifizieren, wird als Einschränkung innergewerkschaftlicher Pluralität kritisiert. Gerade bei kontroversen außen- und sicherheitspolitischen Themen wie NATO, Ukraine-Krieg oder Israel könnten Mitglieder und Organisationen mit abweichenden Ansichten ausgeschlossen werden.
2. Politische Einseitigkeit: Kritiker sehen die Gefahr, dass der DGB durch solche Erklärungen als politisch einseitig wahrgenommen wird und damit seine Rolle als breite Interessenvertretung der Arbeitnehmenden schwächt. Das kann das Vertrauen in die Organisation untergraben und gesellschaftliche Spaltung verstärken.
3. Überschreitung des gewerkschaftlichen Mandats: Es wird hinterfragt, ob Positionierungen zu internationalen Konflikten und Militärbündnissen zum Kernauftrag einer Gewerkschaft gehören oder ob damit der eigentliche Fokus auf Arbeitsbedingungen, soziale Sicherheit und Mitbestimmung verwässert wird.
4. Exklusion und Bündnispolitik: Die Praxis, politisch umstrittene Themen zur Teilnahmevoraussetzung zu machen, kann Bündnisse erschweren und kritische Stimmen ausgrenzen. Das widerspricht dem traditionellen Anspruch, am 1. Mai möglichst breite gesellschaftliche Bündnisse zu ermöglichen.
5. Wahrnehmung als abgehobene Großorganisation: Bereits in der Vergangenheit wurde dem DGB vorgeworfen, abgehoben zu agieren und zu wenig auf die Basis zu hören Solche Erklärungen können diesen Eindruck verstärken, wenn sie nicht ausreichend demokratisch rückgebunden oder breit diskutiert werden. Wenn der DGB demnächst Soli-Beitrag für Kriege einführt oder seine Mitglider für den Krieg gegen Palästinenser und Russen rekrutieren will oder Tariferhöhungen nur für die Befürworter seiner Mitglieder verlangt usw. brauchen wir uns nicht zu wundern!